Area 02 Distrikt 28 Nr. 1718
Auf den Sommer 2021 ist Verlass. Während ich in meinen Rucksack für die heutige Outdoor-Reportage meine Kamera, Wechselobjektive, Aufnahmegerät, Stift und Notizbuch packe, beginnt es heftig zu regnen. Ich muss ein wenig schmunzeln, denn so manches Mal bin ich in diesem Jahr während einer Reportage schon ordentlich nass geworden. Aber keinen dieser Tage möchte ich missen und auch heute verspricht es wieder, interessant zu werden.
Bereits zum 15. Mal lädt der Zonta-Club Koblenz-Rhein-Mosel zu einem besonderen Wanderwochenende am Unteren Mittelrhein ein - weltweit einzigartig, so Frauen verschiedener Service-Clubs zusammenzubringen, um sich über gemeinsame Projekte auszutauschen. Höhepunkt des einmal im Jahr stattfindenden Wochenendes ist neben viel Kultur und Genuss die gemeinsame Wanderung entlang des Rheins.
Pünktlich sammeln sich die Wanderinnen am vereinbarten Treffpunkt Leyescher Hof im historischen Weinort Leutesdorf am Rhein. Während Brigitte – hier ist man ‚per Du‘ – die heutige Wanderstrecke vorbei an reizvollen Fachwerkhäusern, dem Zolltor Zehnthof oder der Wallfahrtskirche Heilig Kreuz erklärt, schaue ich auf die Frauen unterschiedlichen Alters, deren Stimmung sich von den nassen Wolken überhaupt nicht beeinträchtigen lässt. Sie sind aus Hanau, Frankfurt, Leverkusen, Bremen, sogar aus der Schweiz gekommen.
„Wir freuen uns das ganz Jahr auf dieses Wochenende“, erzählt mir Yvonne aus Zürich während wir entlang des Rheins wandern. Auch die anderen Frauen erzählen mit Begeisterung von den bisherigen Zonta-Wochenenden, bei denen sich die beiden Organisatorinnen Brigitte Hilgert-Becker und Dr. Susanne Schmincke immer wieder etwas Besonderes einfallen lassen.
„Viele von uns kommen bereits seit mehreren Jahren und“, so Ulrike, „wenn man sich nach einem Jahr wiedersieht, liegen gefühlt keine zwölf Monate dazwischen. Es ist so, als ob man sich erst gestern getroffen hätte. Neben dem Austausch über die Projekte unserer Service-Clubs findet sich auch sehr viel Zeit für Privates. Darüber sind wertvolle Freundschaften entstanden,“ freut sich die sympathische Zontian aus Bremen.
Zeit für gute Gespräche.
Zonta ist ein 1919 gegründetes, überparteilich, weltanschaulich neutrales, überkonfessionelles Netzwerk von Frauen aus unterschiedlichen Berufen und Positionen, deren Ziel es ist, die Stellung der Frau im rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und beruflichen Bereich zu verbessern und zu festigen. Dies geschieht über unterschiedliche Aktionen, Aktivitäten, Veranstaltungen oder Meetings.
Während die über Musik, Mode, Literatur und Kunst munter plaudernde Wandergruppe entlang des Rheins marschiert, schiebt sich die Sonne blinzelnd über die grauen Wolken. Eine Weile später bietet sich ein guter Platz für eine Pause auf dem Riesling-Wanderweg oberhalb von Leutesdorf. Nicht nur der Blick gen Koblenz sondern vor allem der gute Wein, der hier gekeltert wird, ist ein guter Grund, um einmal nach Leutesdorf zu kommen.
Wanderung mit Blick auf das wunderschöne Rheintal.
Ich allerdings werfe nur einen kurzen Blick ins wunderschöne Rheintal. Viel lieber nutze ich die sonnige Wanderpause, um mich mit Angelika aus Frankfurt am Main zu unterhalten.
Wie wird man eine Zontian, frage ich neugierig? „In der Regel wird man dafür vorgeschlagen. Wichtige Voraussetzungen, um in den Club aufgenommen zu werden, sind eine verantwortungsvolle berufliche Tätigkeit, das Interesse an gesellschaftlichen Themen und der Wille, sich ehrenamtlich zu engagieren.“
Und wie stelle ich mir die Arbeit im Zonta-Club konkret vor, schiebe ich direkt eine nächste Frage nach?
Meine sympathische Gesprächspartnerin schmunzelnd: „Darüber könnte ich dir jetzt stundenlang erzählen.“
Warum nicht, das Thema ist spannend und der gemeinsame Wanderweg noch lang, denke ich, nun ebenfalls schmunzelnd.
Angelika erzählt mir, dass die Zontian ihr berufliches Standing, nutzen, um lokale, regionale, nationale wie internationale Serviceprojekte für Frauen und Mädchen zu unterstützen. Sie werben Gelder ein, organisieren Veranstaltungen, leisten Aufklärungsarbeit, stoßen Diskussionen an und
fördern Ehrenamt, mit dem Ziel, die Lebenssituation von Mädchen und Frauen weltweit zu verbessern.
Eine bekannte internationale Zonta-Kampagne findet seit 2012 jährlich vom 25. November bis 10. Dezember statt und vereint Aktivitäten lokaler Serviceclubs weltweit.
Ein lebendiges Netzwerk von Frauen.
‚Zonta says NO‘ zu Gewalt gegen Mädchen und Frauen - diese Kampagne unterstreicht die Anstrengungen von Zonta International mittels ZISVAW Projekten und der Partnerschaft zur UN und ihren Organisationen. Zum Auftakt rufen die Vereinten Nationen mit dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November zu ‚Orange the World‘ auf. Weltweit erstrahlen Gebäude und markante Orte mit Beginn der Dunkelheit in orangefarbenem Licht. Orange ist die Farbe, die die Vereinten Nationen als Symbolfarbe für eine gewaltfreie Welt für Frauen und Mädchen eingeführt hat.
„Sicher hast du auch schon einmal die Orange angestrahlten Gebäude in Koblenz gesehen“, klinkt sich jetzt Magdalene munter in das Gespräch ein.
„We orange Koblenz“, erzählt sie begeistert, „Rathaus, Koblenzer Schloss, Rhein-Mosel-Halle, private Unternehmen, Kanzleien und natürlich das Denkmal am Deutschen Eck und das Frauenbildnis an der Balduinbrücke, jedes Jahr kommen weitere Gebäude dazu. Damit wir die Menschen in Koblenz und der Region für dieses Thema sensibilisieren können, hat sich unser Service-Club mit vier anderen Koblenzer Service-Clubs zusammengeschlossen. Vernetzen ist wichtig und gewünscht“, erklärt mir Magdalene. Sie ist bereits seit fast zwanzig Jahren aktiv und war von 2006 bis 2008 Präsidentin des Zonta-Clubs Koblenz-Rhein-Mosel.
„Zonta ist für mich ein lebendiges Netzwerk von Frauen für Frauen, facettenreich, spannend, international“, so bringt sie es mit herrlich ansteckender Begeisterung auf den Punkt.
Wanderpause - Zeit für Gespräche und Fotos.
Ein guter Schlusssatz für die erste Wanderpause. Brigitte animiert die wanderbegeisterten Frauen, den Weg fortzusetzen und verspricht einen Höhepunkt. Oberhalb von Leutesdorf laufen wir entlang von Streuobstwiesen, immer wieder mit idyllischen Blicken über steile Rebhänge hinab zu Vater Rhein. Und wir begegnen, eingebettet in traumhaft schöner Landschaft, verschiedenen zeitgenössischen Skulpturen, die auf dem 700 Meter langen ‚Leutesdorfer Kunst- und Kulturweg am Rheinsteig‘ direkt am Wegesrand stehen. Bei diesen Skulpturen handelt es sich größtenteils um Werke, erschaffen von Frauen – wie passend ausgewählt für diesen Wandertag.
Da gibt es die Draht-Metall-Installation "Es war einmal" von Martine Seibert-Raken oder die ‚Vogelstuben am Rhein’ von Pia Ockenfels, beeindruckend auch der ‚Wächter am Rhein’ von Uta Weiler. Nicht verwunderlich, dass die ein oder andere Wanderin ihr Smartphone zückt, um Erinnerungsfotos zu machen. Schön ist es hier!
Auf dem Leutesdorfer Kunst- und Kulturweg am Rheinsteig.
Der weitere Weg führt uns durch duftende Streuobstwiesen und durch sich herbstlich lichtende Wälder. Die Feld- und Wiesenwege sind auch mit den kleinen Steigungen gut zu gehen. Ich nutze die Gelegenheit, um mich mit Brigitte über den Zonta-Club Koblenz-Rhein-Mosel, dem Veranstalter des traditionellen Septemberwochenendes, zu unterhalten. Brigitte gehört nicht nur zu den Gründungsmitgliederinnen, sondern war von 2005 bis 2006 Präsidentin. Von ihr möchte so viel wie möglich über den Koblenzer Service-Club erfahren.
„Wir sind etwa 30 Frauen unterschiedlichen Alters mit Berufen wie Rechtsanwältin, Ärztin, Steuerberaterin, Lehrerin, Unternehmerin, Kunsthistorikerin, Prokuristin. Wir treffen uns regelmäßig einmal pro Monat. Wir organisieren Benefizveranstaltungen, Konzerte, Lesungen, auch Handtaschen-Börsen“, Brigitte schmunzelt, „und unterstützen Projekte wie das ‘START-Stipendium der Herti-Stiftung, Preisgeld ‚Jugend forscht‘ oder ‚JMK Award‘, letzteres würdigt die besonderen Leistungen junger Frauen. Wir geben Spendengelder für ein Flüchtlingsprojekt des Ludwigmuseums, für den Verein ‚Friedenskinder‘ oder jetzt gerade unterstützen wir die von der katastrophalen Hochwasserflut betroffenen Bewohner*Innen des Ahrtals. Helfen ist für uns Ehrensache!“, klare Worte von einer seit Jahrzehnten aktiven Zontian.
Hast du ein Herzensprojekt, möchte ich wissen?
„Nein, alle Projekte sind wichtig“, so Brigitte überzeugend knapp.
Dafür erzählt mir Erika vom Zonta-Club Leverkusen von ihrem Herzensprojekt. Dort engagieren man sich beim Thema ‚Altersarmut von Frauen‘ und möchten diese sensibilisieren, bereits in jungen Jahren für die eigene Zukunft vorzusorgen.
„Wir möchten junge Frauen ermuntern und befähigen, ihre Finanzen, gerade mit Blick auf die Alter- wie Zukunftsvorsorge selbst in die Hand zu nehmen, denn Altersarmut von Frauen ist längst ein gesellschaftliches Problem“, so Erika.
Ich bin begeistert von so viel Leidenschaft und zugleich ein wenig beschämt, das große soziale Engagement der Zontians bisher so wenig bewusst wahrgenommen zu haben. Mir schwirren noch so viele Fragen durch den Kopf, die ich gerne heute noch stellen würde. Doch unser Wanderziel, das Naturfreundehaus ‚Edmundhütte‘ ist in Sicht, mit einem herrlichen Panoramablick über das Rheintal – einem der schönsten Aussichtspunkte am Mittelrhein.
Staunen und genießen oberhalb von Leutesdorf am Rhein.
Dort erwartet uns eine kulinarische Überraschung. Zotians haben für die Wanderfreudigen ein liebevolles Picknick vorbereitet, mit Kuchen, selbstgemachten Dips, frischem Brot, Wein aus der Region und belebendem Kaffee. Auch das ist typisch für die Frauen, die sich in diesen Service-Clubs engagieren: Wertschätzung und Achtung füreinander!
In der Sonne genießen die Frauen in ausgelassener Stimmung die Köstlichkeiten. Ich ziehe mich zurück, um die Eindrücke und Gespräche des Tages auf mich wirken zu lassen. Da gesellt sich Silvia zu mir auf die Bank im Sonnenschein. Sie ist erst seit fünf Jahren im Zonta-Club Koblenz-Rhein-Mosel aktiv. Für sie war das Zonta-Wanderwochenende damals die erste von ihr besuchte Veranstaltung, erzählt sie mir freudig.
Und dann musste der Kuchen doch noch vor der Sonne geschützt werden.
„Mich hat sofort der Kontakt zu den anderen Frauen begeistert. Wir jungen Frauen profitieren vom Wissen und den Erfahrungen der Älteren und,“ sie macht lächelnd eine Pause, „die unterschiedlichen Ansichten können durchaus belebend sein.“
Silvia engagiert sich gern, auch wenn ihre Zeit manchmal knapp bemessen ist. Hinter den Zonta-Idealen steht sie voll und ganz. Sie genießt die vielen interessanten Veranstaltungen und den gemeinsamen Austausch.
„Das erweitert sozusagen meinen Horizont“, formuliert sie frisch und frei.
Eine ihrer Lieblingsveranstaltungen ist der ‚Literatursalon‘, ein wunderbarer Streifzug durch die zeitgenössische Kultur, zusammengestellt von den Frauen im Club anhand eigener literarischer Interessen und Erfahrungen.
Dass Zonta-Veranstaltungen auch von Nicht-Mitgliedern besucht werden können, erwähnt Silvia ganz nebenbei. Ich habe es für mich sofort notiert.
Mitten in den lebhaften Gesprächen der Frauen entspringt in der Ferne auf der gegenüberliegende Rheinseite im Naturschutzgebiet Namedyer Werth einer der höchsten Kaltwasser-Geysire der Welt –ein Highlight an diesem Nachmittag. Bis zu 60 Meter steigt die Wasserfontäne angetrieben durch vulkanisches Kohlenstoffdioxid empor. Das spektakuläre Naturschauspiel versetzt die Frauengruppe in absolutes Stauen. Für wenige Minuten ist es mucksmäuschenstill.
Die freiwerdende Kraft und Energie des Geysirs, wie passend für den Abschluss eines solchen Tages, denke ich.
Frauen, die sich bewegen ...
Es war für mich eine Wanderbegleitung der ganz besonderen Art. Neben den wunderschönen Ausblicken auf Rhein und Vulkaneifel, auf die Ruine der Reichsburg Hammerstein und den Skulpturen am Leutesdorfer Kunst- und Kulturweg war das Besondere die Begegnung mit ganz unterschiedlichen interessanten Frauen, die mit ihrem Engagement und ihrem Herzen so viel bewegen…, weil sie sich selbst bewegen.
Ein wunderbares Wochenende für die mehr als 20 Zontians verschiedener Service-Clubs: Sie kommen alle gerne wieder!